BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Gemeinderat Ludwigsburg

Rede von Florian Sorg zur möglichen Einführung einer Verpackungssteuer

08.04.25 –

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Dr. Knecht,
liebe Gäste,
liebe Anwesende!

Wenn Sie die Chance hätten, etwas für die Umwelt zu tun und dabei Einnahmen für die Stadt zu schaffen – würden Sie es tun?

Die Verpackungssteuer fördert die Nutzung von Mehrwegbehältern für Take-away-Speisen und -Getränke. Dadurch sinkt der Einwegmüll. Einwegverpackungen verlieren nach wenigen Minuten, oft sogar Sekunden, ihren Zweck. Dieser Verpackungsmüll verstopft städtische Mülleimer oder landet auf Straßen und Plätzen.

Tübingen, eine Stadt vergleichbarer Größe wie Ludwigsburg, hat im ersten Jahr mit der Verpackungssteuer 800.000 Euro eingenommen – bei lediglich 100.000 Euro Personalkosten. Jeder eingesetzte Euro bringt somit etwa acht Euro ein – und die Stadt wird sauberer. Eine saubere Stadt sorgt für ein besseres Sicherheitsgefühl. Ich bin gespannt, welcher WIN LB Vorschlag, eine bessere Bilanz aufweist. Gerne räume ich mit weiteren Gerüchten auf, die hier in die Welt gesetzt worden sind. 

Der Verband kommunaler Unternehmen (VKU) hat berechnet, dass deutsche Kommunen jährlich 700 Millionen Euro für die Entsorgung von Einwegmüll ausgeben. Für Ludwigsburg bedeutet das etwa eine halbe Million Euro jährlich – eine Last, die von allen getragen wird, unabhängig davon, ob sie zur Vermüllung beitragen oder nicht. Die Verpackungssteuer sorgt für Gerechtigkeit: Bezahlen sollen die, die Einwegmüll verursachen.

Die Lösung ist Mehrweg. Ludwigsburger Gastronomiebetriebe sind gut aufgestellt, Firma Lutz hat‘s gezeigt, Käserei Haas hat ein eigenes System aufgebaut. Sein Statement hätte mich dann doch interessiert. Einige nutzen das städtisch geförderte "Local to go"-System, andere setzen auf ReCup oder eigene Lösungen. Zudem müssen die meisten Betriebe durch die Mehrwegangebotspflicht ohnehin Mehrwegbehältnisse anbieten.

Mehr und mehr Städte zeigen, dass die Verpackungssteuer funktioniert. Konstanz hat sie seit Anfang des Jahres. Köln hat die Einführung nach einem Antrag von Grünen und CDU vor einem Monat bereits beschlossen. Weitere Städte werden nachziehen, denn die Steuer ist rechtens. McDonald’s hat bis vor das Bundesverfassungsgericht geklagt – und verloren. Das höchste deutsche Gericht hat die Verpackungssteuer als mit allen bestehenden Regelungen konform bestätigt. EU-Regelungen zu Verpackungen und Verpackungsmüll, das Kreislaufwirtschaftsgesetz von Bund und Land, das deutsche Verpackungsgesetz, in dem die dualen Systeme, also grüner Punkt / gelber Sack geregelt sind - alle stehen nicht im Widerspruch zur kommunalen Verpackungssteuer. Karlsruhe sagt „Der mit der Verpackungssteuersatzung bezweckte Anreiz zur Verwendung von Mehrwegsystemen widerspricht auch keiner seit ihrem Inkrafttreten maßgeblichen Konzeption des bundesrechtlichen Abfallrechts.“ Zitat Ende. 

Durch bisherige Regelungen werden kleinste Cent-Beträge auf Verpackungen in der Lieferkette fällig. Jedoch entfalten sie kaum Lenkungswirkung und ist keine Doppelbesteuerung - das hätte Karlsruhe bemerkt. Das Gefühl der Mehrfachbelastung durch eine effektive Verpackungssteuer, kann ich jedoch verstehen. Doch leider sorgt der grüne Punkt nicht für gutes Recycling oder gar weniger Müll. Entsorger kriegen anteilig Geld fürs Recyceln von Verpackungsmüll. Doch Müll sucht sich das billigste Loch. Tatsächlich wird nur das recycelt, was sich wirtschaftlich lohnt. Der Einwegabfall lohnt nicht und wird verbrannt. 

Doch uns geht es um das Ziel der Abfallvermeidung. Dafür sorgt der Grüne Punkt nicht, dafür sorgt der Einwegkunststofffonds nicht, dafür sorgt die Mehrwegangebotspflicht nach §§33, und 34 Verpackungsgesetz. Dafür kann nur eine Regelung am Verkaufspunkt sorgen. Dort wird der finanzielle Anreiz spürbar. Dort gibt es auch Alternativen durch Mehrweg. 

Wie funktioniert die Verpackungssteuer?

  • Die 50 oder 20 Cent, die am Verkaufspunkt zu zahlen sind, haben Sie bereits erläutert.
  • Die Steuer ist unabhängig vom Material - das ist wichtig zu betonen!
  • Steuerpflichtig sind die Betriebe. - Diese können die Steuer an die Kundschaft weitergeben.
  • Wer keine 50 Cent extra zahlen will, nimmt Mehrweg. So gibt es keine Mehrbelastung. 
  • Das ist der finanzielle Anreiz, der wirkt.

Nochmal die gute Nachricht an die Bäcker der Stadt und im Gemeinderat: Transporttüten, wie Bäckertüten für die Laugenbrezeln auch die frisch aus dem Ofen, bleiben steuerfrei, genauso wie Servietten. 

Einmal jährlich erklären die Betriebe ihre Verpackungssteuer – ein Aufwand von etwa zwei Seiten. Die Prüfung erfolgt durch die Kämmerei, bei Bedarf mit Vor-Ort-Kontrollen z. B. der Einkaufsbelege von Einwegverpackungen.

Ja, Steuerrecht ist kompliziert. Aber Tübingen und Konstanz haben bereits gezeigt, dass und wie es geht. Es gibt keinen Grund, die Verpackungssteuer in Ludwigsburg nicht ebenso pragmatisch umzusetzen.

Manche in dieser Runde haben sich bereits über Detailfragen wie "Besteuerung warmer und kalter LKWs" oder "die Länge von Besteck" lustig gemacht.  Aber auch die Mehrwertsteuerregelung ist nicht immer logisch. Denn dort ist es ja heute schon so, dass 7 % Mehrwertsteuer anfallen, beim take-away-Essen. Wer aber sein Essen im Sitzen genießt, zahlt 19 %. Für mich auch nicht nachvollziehbar, wieso im Café ein Glas Kuhmilch mit 7 % besteuert wird, während ein Glas Hafermilch mit 19 % besteuert wird. 

Da werden wir für Ludwigsburg gute Lösungen für LKW, Popcorn und Drive-In finden! Werte Herren Angas und Lutz, wegen mir können wir Drive-In gerne aufnehmen, wie Konstanz. 

Entscheidend ist jetzt der gemeinsame Dialog mit der Gastronomie.

  • Viele Restaurants ohne Take-away-Angebot fallen ohnehin aus der Regelung heraus.
  • Vor allem internationale Fast-Food-Ketten und Imbisse sind betroffen. 
  • Steigt die Mehrwegnutzung, sparen Betriebe Verpackungskosten und profitieren langfristig.

Die Verpackungssteuer darf aber nicht allein Haushaltslöcher stopfen. Ein Teil der Einnahmen soll an Betriebe mit Mehrwegangeboten zurückfließen. Zusätzlich brauchen wir daher:

  1. Finanzielle Förderung für die Einführung von Mehrwegsystemen und Anreize ganz auf Mehrweg umzustellen. 
  2. Unterstützung beim Kauf von Gastrospülmaschinen.
  3. Verbesserte Mehrweglogistik mit systemübergreifenden Rückgabestationen, damit die Kundschaft einfach an mehreren Orten Behälter zurückgeben kann

Ich bin dafür an anderer Stelle Belastungen zu reduzieren, etwa bei Werbevorgaben oder Außenbestuhlung, um den Gastro-Betrieben entgegenzukommen. So kriegen wir das Bürokratiemonster gezähmt, das hier bereits aufgeblasen wurde. 

Neben der Angstmacherei vor Monstern wird auch gern ein möglicher Flickenteppich als Ausrede geknüpft. Es gibt ein lokales Problem mit Vermüllung – das können wir auch lokal lösen. Die kommunale Selbstverwaltung wurde durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts gestärkt. Nur Kommunen können diese Steuer einführen, nicht Kreis, Land, Bund oder EU. Wer auf höhere Ebenen verweist, sucht eine Ausrede, um nicht zu handeln. Und weitere Appelle an den Zeitgeist oder Bildung werden nicht fruchten. 

Laut Bundesverfassungsgericht handelt es sich nämlich um eine „örtliche“ Verbrauchssteuer. Den entsprechenden Artikel im Grundgesetz haben Sie genannt. Auf diesen können sich baden-württembergische Kommunen in Verbindung mit § 9 Absatz 4 Kommunalabgabengesetz Baden-Württemberg berufen. 

Wir könnten auch eine kreisweite oder regionsweite Initiative starten, um gleich lautende Satzungen zu erlassen. Niemand hindert Freiberg oder Esslingen auch aktiv zu werden. Im Stuttgarter Gemeinderat gibt es eine Mehrheit für die Verpackungssteuer. 

Dann wird gern auch eine Studie aus Tübingen unvollständig zitiert, verbunden mit der Behauptung das Abfallaufkommen sei nicht weniger geworden. Das ist aber falsch. Man muss die englische Vollversion ganz lesen. Übersetzt heißt es dort, dass Einweggeschirr zu leicht sei. Für eine Messung der Reduktion ist das Gewicht wohl zu leicht, um erkannt zu werden. Na logisch! Wenn täglich dutzende von sehr leichten Einwegverpackungen eingespart werden, wird das von Sektflaschen, illegal entsorgtem Restmüll usw. gewichtstechnisch trotzdem überlagert. Dennoch hat die Reduktion von zahlreichen Einwegverpackungen Einsparungen beim Ressourcenverbrauch und bei Treibhausgasen zur Folge. 

Die Wirkung ist offensichtlich: Jürgen Bürker, Leiter Bauhof - Kommunale Servicebetriebe Tübingen (KST) sagt:

„Seit Einführung der Verpackungssteuer haben wir spürbar weniger Geschäft damit, lose Verpackungen einzusammeln, da die Mülleimer nicht mehr so schnell voll sind.“ Zitat Ende.

Also ein geringerer Aufwand bei der Straßenreinigung, Herr Fischer. 

Dieses Erfolgserlebnis sollten wir unserem Herrn Schroff auch gönnen. Straßenreinigung kostet. Die Technischen Dienste Ludwigsburg leisten großartige Arbeit. Aber es kann nicht sein, dass mit Steuergeldern denen hinterhergeräumt wird, die die Umwelt verschmutzen.

Mehrweg funktioniert. Es gibt damit keine Hygieneprobleme, wie der Lebensmittelverband und DEHOGA bestätigen. Und im Gegensatz zu herumliegenden Einwegverpackungen zieht Mehrweg auch keine Ratten an.

Zum Abschluss: neben (1) der Steigerung von Mehrwegnutzung, (2) der Reduktion von Verpackungsmüll und (3) Einnahmesteigerung ist die Verpackungssteuer auch eine Chance für neue Geschäftsmodelle. Mehrwegfirmen profitieren, lokale Betriebe bleiben wettbewerbsfähig. Das Bundesverfassungsgericht hat festgestellt: "Es gibt keine Anhaltspunkte für eine die Geschäftsaufgabe erzwingende Wirkung der Verpackungssteuer." Gastronomie kommt und geht, aber nicht wegen einer Verpackungssteuer. 

Ludwigsburg braucht leider Einnahmen. Wer gegen die Verpackungssteuer ist, muss alternative Einnahmequellen nennen. 

Ich habe hier die Vesperdose von meinem Kind dabei. Damit kann man auf dem Markt oder auch im Laden ohne Hygieneeinwände einkaufen. Die hat mein Kind als Dankeschön von unseren TDL bekommen, dafür dass er bei der Putzete vom Kindergarten mitgemacht hat. Die Dose ist super. Die Putzete ist pädagogisch wichtig, damit Kinder frühestmöglich lernen ihre Umwelt zu schützen. Aber im Grunde kann es nicht sein, dass wir unsere Kinder in die Büsche schicken, damit die den Müll dort rausfischen! Wir müssen an die Ursache ran. Eine Verpackungssteuer sorgt genau dafür, dass die zahlen müssen, die nicht Mehrweg wollen. Sie sorgt für weniger Einwegmüll in und um die Mülleimer, für Einnahmen, die die Stadt dringend braucht und für ein sauberes Ludwigsburg.

Link zur Sitzung

https://ris.ludwigsburg.de/bi/si0057.php?__ksinr=1007646

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